Zwischen Harakiri und Hoffnung
Obrázek: © Emmanuel Tardi

Zwischen Harakiri und Hoffnung

27. říjen 20253 minutes Doba čtení

Die letzten Wochen waren … viel. Anders kann ich es kaum zusammenfassen.

Drei Wochen musste ich aufgrund eines hartnäckigen Atemwegsinfekts pausieren und war davon zwei Wochen gänzlich ans Bett gebunden. Das allein hätte mir schon gereicht, aber mental hat es mich regelrecht zerbrochen, weil ich zuvor endlich wieder auf einem richtig guten Weg war. Alles fühlte sich nach Fortschritt an. Und dann das.

Als ich wieder vorsichtig ins Training eingestiegen bin, war alles zäh. Der Körper hat sehr deutlich gezeigt, dass ein Leben mit einer Autoimmunerkrankung kein Spaziergang ist. Er erinnert mich immer wieder daran, dass gute Phasen genauso real sind wie die schlechten. Anfang Oktober musste ich meinen geplanten 35-Kilometer-Wettkampf absagen. Also: neues Ziel. Fit werden für den Marathon Ende des Monats. In kürzester Zeit noch lange Einheiten reinquetschen — Harakiri pur und das war mir durchaus bewusst. Aber die langen Trainings über 30 und 35 km liefen besser als erwartet … was mich zu dem Irrglauben verleitete, dass das vielleicht alles doch funktionieren könnte. Doch im Wettkampf beim LUSATIAN RACEWALKING MEETING am 25. Oktober 2025 in Zittau kam die Realität brutal zurück: frühzeitige muskuläre Ermüdung und ein eigenartiger, plötzlicher Schmerz im Hamstring, der mich nach fast 32 Kilometern zur Aufgabe zwang. Und ja, wie ich im Nachhinein erfahren habe, hat das gar nicht so wenige Menschen gefreut. Die deutsche Gehsport-Community ist klein und offenbar sehr nachtragend. Manche scheinen zu vergessen, dass ich meinen Rücktritt im vergangenen Jahr keineswegs vorgetäuscht habe. Ich habe ihn erklärt, weil mein Körper nicht mehr der ist, der klaglos alles mitmachen kann. Und nur, weil ich irgendwann dieses Jahr das Gefühl hatte, die neu eingeführte Marathondistanz gerne einmal ausprobieren zu wollen, handelt es sich nicht automatisch wieder um Leistungssport und das wird es auch in Zukunft nicht. Und sind wir einmal ehrlich: Ist jemand, der noch nie mit dem Sport einen einzigen Cent verdient hat und immer nur vor bzw. nach Feierabend trainiert, wirklich irgendjemandem eine Rechenschaft schuldig?!

Um auf mein "überschaubares" Training (oder wie ich es ganz gerne nenne: "Training nach Gefühl") zurückzukommen, gibt es mit großer Sicherheit auch andere, die mit noch weniger Umfängen und/oder Intensitäten Großes erreichen können. Sie haben einfach mehr Talent als ich und das ist auch nichts, wofür ich mich schäme. Ich musste schon immer hart arbeiten für alles, was ich im Sport erreicht habe. Vor oder nach der Arbeit raus, wenn es dunkel, kalt und ungemütlich ist — das war mein Alltag. Es waren viele einsame Kilometer. Jahre davon. Und nach dem Wettkampf in Zittau frage ich mich: Wofür eigentlich? Ohne eine Gruppe oder einen Trainer, die man täglich sieht und ohne ein Gefühl von Zugehörigkeit ist das Weiterkämpfen verdammt schwer. Die körperliche Müdigkeit geht inzwischen Hand in Hand mit einer geistigen. Trotzdem sitze ich nicht in einem tiefen Loch, denn mein eigentliches Ziel liegt gar nicht im Sport. Ich möchte in der IT meinen Schwerpunkt verlagern, und zwar ins DevOps Engineering. Und dafür besuche ich momentan sechs Unterrichtseinheiten à 90 Minuten pro Woche an der Uni Freiburg. Zusätzlich zu meinem Job als IT Service Managerin. Das fühlt sich nicht wie Mehrbelastung an, weil ich es will und weil ich darin eine Zukunft sehe, die ich aktiv gestalten kann. Mein Gehirn ist stärker als jeder Muskel in meinem Körper und das kann mir niemand nehmen.


Was den Sport betrifft? Ich bin sicher, dass ich wieder Freude daran finden werde. Nicht heute. Vielleicht nicht morgen. Aber irgendwann. Dabei hätte es dieses Jahr eigentlich so viele Gründe zum Feiern gegeben. Ich habe im Duathlon eine völlig neue sportliche Heimat entdeckt und direkt Erfolge gefeiert: Deutsche Meisterin. Fünfter Platz bei der WM. Alles Dinge, die sich auf dem Papier großartig lesen. Und trotzdem habe ich sie nie richtig genießen können. Nicht, weil die Zeit fehlte, sondern weil der Stolz fehlte. Jetzt, am Ende dieser schwierigen Saison, hole ich das endlich nach. Ich erlaube mir, stolz zu sein. Es wird Zeit.

Další sportovní tipy ve videu

Autor

0 Komentáře

Přihlaste se a napište komentář.

Přihlášení