Psychische Gesundheit im Sport
Fotografía: © SPOFERAN

Psychische Gesundheit im Sport

October 10, 20254 minutos Tiempo de lectura

Warum mentale Stärke für Amateur- und Wettkampfathleten entscheidend ist

Am 10. Oktober findet weltweit der Welttag der psychischen Gesundheit statt – ein Anlass, um auch im Sport über mentale Stärke, Belastung und die oft unterschätzte Bedeutung psychischer Gesundheit zu sprechen.

Der stille Druck

Es sind nicht nur Profis, die sich dem Druck aussetzen. Auch Amateur-Sportlerinnen und -Sportler, die nach Feierabend noch Intervalle laufen oder sich im Kraftraum quälen, kennen das Gefühl, funktionieren zu müssen. Der Unterschied: Sie tun es meist ohne medizinische Betreuung, ohne Mental-Coach, ohne Sicherheitsnetz.

Dabei ist der Zusammenhang zwischen Sport und Psyche komplexer, als viele glauben. Sport kann heilen – aber auch krank machen.

"Wenn Training wichtiger wird als Familie, Freunde oder Beruf"

Lange galt körperliche Aktivität als Allheilmittel für die Seele. Bewegung setzt Endorphine frei, verbessert die Stimmung, beugt Depressionen vor – so steht es in zahllosen Gesundheitsratgebern. Und tatsächlich zeigen Studien, dass regelmäßiges Training das Risiko für depressive Symptome um bis zu 30 Prozent senken kann.

Doch dieselben Mechanismen, die Sportlerinnen und Sportler antreiben, können ins Gegenteil kippen. Ein zu rigider Trainingsplan, fehlende Regeneration, übersteigerter Ehrgeiz oder der Vergleich mit anderen – insbesondere über soziale Medien – begünstigen das, was Sportpsychologen heute als exercise addiction, als „Bewegungssucht“, bezeichnen.

„Was als Motivation beginnt, kann in Zwang umschlagen“, sagen Sportpsychologinnnen und Sportpsychologen. „Wenn Training wichtiger wird als Familie, Freunde oder Beruf, gerät die Balance in Gefahr.“

Die unterschätzte Belastung des Amateur-Wettkampfs

Im Gegensatz zu Profis fehlt vielen Amateur-Athletinnen und -Athleten der Rückhalt durch Sportpsychologen, Physiotherapeutinnen oder Mannschaftsärzte. Sie tragen die Doppelbelastung aus Beruf, Alltag und Training – und damit ein Risiko, das in Studien kaum erfasst wird.

Eine Untersuchung der Universität Amsterdam (2024) zeigt: 35 Prozent aller Wettkampfsportlerinnen und -sportler berichten über Symptome wie Erschöpfung, Schlafstörungen oder Reizbarkeit – Anzeichen eines mentalen Überlastungssyndroms.

Auch der Moment der Verletzung gilt als besonders kritisch. In einer Metaanalyse der British Journal of Sports Medicine (2023) gaben fast 40 Prozent der Befragten an, nach einer Sportverletzung deutliche Angst- oder Depressionssymptome erlebt zu haben. Der Verlust des Trainingsrhythmus, der soziale Rückzug, das Gefühl, „nichts mehr beitragen zu können“ – all das nagt an der psychischen Stabilität.

Zwischen Leistungswillen und Lebensqualität

Mentale Gesundheit im Sport ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Es geht um Selbstwahrnehmung, um den Umgang mit Rückschlägen, um die Fähigkeit, Ziele flexibel anzupassen.

„Wir glorifizieren Disziplin und Härte“, sagt Christian Teringl, Mitgründer des Sportnetzwerks SPOFERAN. „Aber echte Stärke zeigt sich auch im Moment des Loslassens.“

Besonders gefährdet sind Athletinnen und Athleten mit starker sportlicher Identität – die sich fast ausschließlich über Leistung definieren. Wenn ein Rennen schiefgeht, wackelt nicht nur das Ego, sondern das Selbstwertgefühl als Ganzes.

Hier kann soziale Unterstützung den entscheidenden Unterschied machen. Studien aus dem Jahr 2025 (Frontiers in Psychology) zeigen, dass Athletinnen und Athleten mit stabilen sozialen Netzwerken doppelt so häufig psychisch stabil bleiben wie solche, die ihr Umfeld als distanziert erleben.

Was Vereine und Trainer tun können

Noch immer herrscht in vielen Vereinen Schweigen, wenn es um mentale Krisen geht. „Wir reden über Muskelfaserrisse, aber nicht über Angststörungen“, so Teringl weiter.

Vereine können früh ansetzen:

  • Offene Gesprächskultur fördern – mentale Themen regelmäßig im Training ansprechen

  • Check-ins etablieren – kurze wöchentliche Stimmungsrückmeldungen, wie sie inzwischen auch Profiteams nutzen

  • Pausen legitimieren – wer mental ausgelaugt ist, braucht denselben Respekt wie jemand mit einer Zerrung

  • Schulung für Trainerinnen und Trainer – um Warnsignale zu erkennen und Hilfe vermitteln zu können

Auch digitale Tools können helfen: Einige Teams nutzen mittlerweile Apps, die Stimmung, Schlaf und Belastung erfassen. Solche Systeme können frühzeitig Veränderungen im Wohlbefinden anzeigen – eine Art „psychologischer Pulsmesser“.

Wann Hilfe notwendig ist und wo man sie bekommt

Psychische Belastung gehört zum Sport, aber sie darf nicht chronisch werden. Typische Warnzeichen:

  • Anhaltende Lustlosigkeit, auch bei sonst motivierenden Trainings

  • Reizbarkeit, sozialer Rückzug, Schlafprobleme

  • Zunehmender Druck, trotz Schmerzen oder Erschöpfung weiterzumachen

Wer solche Signale bemerkt, sollte früh handeln – nicht erst, wenn nichts mehr geht. Der Hausarzt, eine Sportpsychologin oder Psychotherapeutin sind erste Anlaufstellen. In akuten Krisen bieten Organisationen wie die Telefonseelsorge (0800 111 0 111) oder das Hilfetelefon „Nummer gegen Kummer“ (116 111) Unterstützung.

Ein System im Wandel

Lange war mentale Gesundheit im Sport ein Tabu. Doch das Bewusstsein wächst. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat 2024 erstmals Richtlinien veröffentlicht, die mentale Prävention als festen Bestandteil der Trainingsplanung empfehlen. Auch in den USA wurde ein „Mental Health Screening Protocol“ für College-Athleten verpflichtend eingeführt.

Das zeigt: Mentale Gesundheit ist kein Luxus, sondern Leistungsfaktor. Und zwar nicht nur für jene, die von Sport leben – sondern gerade für jene, die Sport leben.

Stärke bedeutet, sich Schwäche zuzugestehen

Der Welttag der psychischen Gesundheit erinnert uns daran, dass Körper und Geist untrennbar verbunden sind. Wer regelmäßig trainiert, weiß, wie wichtig Regeneration ist – für Muskeln ebenso wie für die Seele.

Psychische Gesundheit ist kein Gegensatz zu Leistung. Sie ist ihre Grundlage. Und vielleicht ist die wichtigste Trainingseinheit manchmal die, die man ausfallen lässt.

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