Du hast wochenlang trainiert, unzählige Kilometer gesammelt und Schweiß vergossen. Die Form ist da – und jetzt entscheidet sich, ob du sie am großen Tag wirklich abrufen kannst. Genau hier setzt das Tapering an.
Viele denken, Tapering heißt einfach „weniger trainieren“. Doch richtig gemacht ist es ein ganzheitliches Konzept, das Training, Ernährung, mentale Stärke und Organisation verbindet. Mit einem durchdachten Tapering startest du frisch, fokussiert und voller Energie ins Rennen.
1. Training: Weniger Umfang, mehr Qualität
Tapering bedeutet nicht, die Füße hochzulegen. Es geht darum, das Training so zu reduzieren, dass der Körper Ermüdung abbaut, während gleichzeitig der Rhythmus erhalten bleibt. Das Volumen wird in den letzten ein bis drei Wochen vor dem Wettkampf um 40–60 % gesenkt, die Intensität aber nicht komplett gestrichen. Kurze Reize wie Strides oder Intervalle halten das neuromuskuläre System „wach“, während lange, ermüdende Einheiten wegfallen. Auch die Anzahl der Einheiten sinkt höchstens um 20 %, damit das Gefühl für den Wettkampfrhythmus nicht verloren geht.
Praxisbeispiele nach Distanz
10 km (5–7 Tage Tapering):
3 bis 4 lockere Läufe à 30 bis 45 Minuten, dazu eine scharfe Einheit mit 6 bis 8 × 200 m im 5-km-Tempo (volle Pausen). Am Vortag 20 Minuten locker plus ein paar Strides.Halbmarathon (7–10 Tage):
Umfang um 40 bis 50 % reduzieren. Eine Schlüsseleinheit mit 3 × 5 Minuten im 10-km-Tempo drei bis vier Tage vor dem Rennen, sowie ein 20- bis 30-minütiger Lauf im Halbmarathon-Tempo sechs bis sieben Tage vorher.Marathon (2–3 Wochen):
Drei Wochen vor dem Start ca. 80 % des üblichen Umfangs,
zwei Wochen vorher 60 %,
Rennwoche 40 bis 50 %.
Wichtige Einheiten sind 10 bis 12 × 400 m im 5 bis 10-km-Tempo rund zwei Wochen vor dem Start und 2 × 4 bis 5 km im Marathon-Tempo etwa eine Woche vorher. Am Vortag reicht ein kurzer, lockerer Lauf mit Strides oder ein Ruhetag.
Triathlon Sprint (3–5 Tage):
Jede Disziplin kurz ansteuern (20 bis 40 Minuten), zwei bis vier Race-Pace-Reize setzen und einen kurzen Brick (z. B. 25 Minuten Radfahren + 10 Minuten Laufen mit 2 × 2 Minuten Race-Pace).Ironman (2–3 Wochen):
Das Volumen wird um 40 bis 60 % reduziert. Der letzte lange Lauf findet zwei bis drei Wochen vorher statt, die lange Ausfahrt etwa zwei Wochen davor, ein längerer Schwimmblock zehn Tage vor dem Rennen. In den letzten beiden Wochen sind ein bis zwei Mini-Bricks mit kurzen Race-Pace-Abschnitten sinnvoll.
2. Ernährung: Energie für den großen Tag
Das beste Training verpufft, wenn die Energiespeicher leer sind. Deshalb ist Ernährung ein fester Bestandteil des Taperings. Während das Trainingsvolumen sinkt, steigt der relative Anteil an Kohlenhydraten, um die Glykogenspeicher optimal zu füllen.
Für einen Halbmarathon reichen in den letzten 24 bis 36 Stunden 5 bis 7 g Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Beim Marathon oder Ironman steigt die Empfehlung auf 8 bis 12 g/kg/Tag für 36 bis 48 Stunden. Am Wettkampfmorgen empfiehlt sich ein Frühstück mit 1 bis 4 g Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht, drei bis vier Stunden vor dem Start – allerdings nur mit Lebensmitteln, die du im Training bereits getestet hast.
Eiweiß (1,6 bis 2,0 g/kg pro Tag) unterstützt die Regeneration. Magnesium, Eisen und Zink sollten nicht vernachlässigt werden. Um Magen-Darm-Stress zu vermeiden, reduziert man Ballaststoffe in den letzten 24 bis 48 Stunden leicht („low residue“). Auch Flüssigkeit spielt eine Rolle: Trinke nach Durst, halte Deine Urinfarbe hellgelb, aber vermeide Hyperhydration. Elektrolyte im Wettkampfgetränk (300 bis 600 mg Natrium/L) helfen, Schweißverluste auszugleichen. Koffein kann ein optionales Hilfsmittel sein, wenn du es bereits getestet hast – etwa 2 bis 3 mg pro Kilogramm Körpergewicht, 45 bis 60 Minuten vor dem Start.
3. Mentale Stärke und Schlaf: Der unterschätzte Leistungsbooster
Tapering ist nicht nur eine körperliche, sondern auch eine mentale Vorbereitung. Der Kopf muss ebenso auf den Wettkampf eingestimmt werden wie die Beine.
Besonders wichtig ist Schlaf. Plane in der Rennwoche rund eine Stunde mehr als sonst ein. Entscheidender als die letzte Nacht sind die zwei bis drei Nächte davor – auch wenn die Aufregung am Vorabend des Rennens für unruhigen Schlaf sorgt, hat das kaum Einfluss auf die Leistung. Kürzere Powernaps von 20 bis 30 Minuten können ebenfalls hilfreich sein.
Zur mentalen Vorbereitung gehört das Visualisieren der Strecke und kritischer Rennmomente. Typische Gefühle wie schwere Beine oder kleine „Phantom-Wehwehchen“ in der Taperphase sind normal und kein Grund zur Sorge. Spaziergänge, leichte Mobility-Übungen oder Atemtechniken helfen, den Kopf ruhig zu halten.
4. Organisation: Kein Chaos am Renntag
Eine gute Organisation ist der einfachste Weg, unnötigen Stress zu vermeiden. Alles, was am Wettkampftag fehlt oder klemmt, kostet Energie, die du besser ins Rennen steckst.
Rennwoche-Checkliste (Kurzfassung)
Dokumente: Startpass, Bestätigung, Zeitplan
Lauf: Schuhe (eingelaufen), Ersatzschnürsenkel, Socken, Gels
Triathlon: Neoprenanzug, Badekappe, zweite Brille, Rad-Check (Kette, Reifen, Schaltung), Helm, Startnummernband, Rad- und Laufschuhe, Anti-Chafing
Sonstiges: Sonnencreme, Elektrolyte, Set für Regen oder Kälte, Sicherheitsnadeln/Tape
Typische Fehler im Tapering
Komplett nichts tun: Der Körper fühlt sich schwer und unruhig an.
Zu hart trainieren: Die Energie wird schon vor dem Wettkampf verbraucht.
Intensität komplett streichen: Die Beine fühlen sich träge an.
Ernährung vernachlässigen: Carboloading falsch durchgeführt oder zu ballaststoffreich.
Neue Ausrüstung oder Gels testen: Risiko für Blasen oder Magenprobleme.
Panik wegen schlechter letzter Nacht: Sie ist unwichtig – die Nächte davor zählen.
Tapering als Gamechanger
Tapering ist weit mehr als „weniger Training“. Es ist die Kunst, Training, Ernährung, mentale Stärke und Organisation so zu verbinden, dass du mit voller Energie an den Start gehst. Wer nur den Umfang kürzt, verschenkt Potenzial. Wer dagegen alle Facetten berücksichtigt, erlebt den Wettkampf von seiner besten Seite – frisch, fokussiert und leistungsfähig.
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